Isabel Schicketanz: Seelentrost

Die CD

Die Musikgeschichte ist reich an Gänsehautmomenten – wenn die Klänge ganz nah an einen heranrücken, in die geheimsten Territorien vordringen und etwas im Menschen zum Schwingen bringen. Das kann ein großer, opulenter Orchestersound sein oder ein energievolles Pop-Konzert mit tausenden Menschen. Aber meist sind es doch die ganz reduzierten, gleichsam mit einer Essenz des Klangs ausgestatten Momente, die Körper und Geist so berühren, dass man noch Wochen oder Monate später daran denkt. Wenn Musiker:innen ganz in die Reduktion gehen, sich verletzlich machen in der äußersten Konzentration der künstlerischen Mittel, dann scheint auratisch das Besondere auf.

Einsamkeit, Erschütterung, Trauer, Angst – und Trost, Berührung, Liebe: das sind im Zeitalter des Barock, also im 17. und 18. Jahrhundert, Leitmotive der Musik. Verhandelt werden sie in unzähligen Variationen über den Begriff der Seele. Dieses „Etwas“, dessen Existenz zumindest in der voraufklärerischen Barockzeit unhinterfragt ist, dieses Etwas, was die Menschen Seele nennen, gerät in Liedern, Gesängen und ‚Concerti‘ meist in Bedrängnis. Themen direkt aus dem Leben schlagen sich hier unmittelbar in der Musik nieder: Existenzängste, Krankheit, die Allgegenwart des Todes, Krieg…

Mit den Werken dieser Einspielung beschreitet Isabel Schicketanz einen Weg, der uns Hörer:innen zunächst ins Dunkel führt und die Schattenbereiche der Seele erkundet. Eine zweite Werkgruppe ab Heinrich Schütz‘ Ich harrete des Herren stellt einen Menschen vor, der lebt und liebt, der das Leben in all seinen Facetten gekostet hat und diese Erfahrungen (des Lebens und Glaubens) weitergeben kann. Der abschließende dritte Teil beginnt mit Heinrich Alberts Daß alle Menschen sterben. Die Todesgewissheit wird aber ausgesprochen mit der Verheißung einer kommenden Erlösung. Es ist eine gewisse Gelassenheit zu hören, ein inneres Lächeln und Leuchten, das auf tieferen Einsichten in das Leben und die Seele gründet.

Diese musikalische Seelenkunde ist pur, rein und direkt. Die Sopranistin Isabel Schicketanz zeigt sich als eine mutige Künstlerin, derart ins Offene zu gehen, eine Art Verletzlichkeit zuzulassen und so dem „Seelentrost“ einen Raum zu eröffnen, in dem er sich entfalten und zeigen kann. Sie geht mit diesem Programm in die Konzentration und Reduktion – und genau in dieser Reduktion der äußeren Mittel schimmert in den Nuancen und Schattierungen der Musik eine große Bandbreite von Emotionen und ja: Einsichten in das Leben auf. Und da sind sie dann, die Gänsehautmomente, die der Seele nah gehen.

 

Dr. Oliver Geisler 

Isabel

Woher kommt eigentlich dieser Zauber, dass die einfachsten Lieder unsere Herzen auf das Höchste berühren können? Sie tragen Geschichten von Generationen über Generationen in sich, die manches Mal hochaktuell scheinen.

Für mich als Sängerin ist es eine wertvolle Kunst, die schlichtesten Lieder mit hingebungsvoller Sorgfalt zu ergründen, zum Klingen zu bringen und mich darüber hinaus in jedem Augenblick mit dem Wort auseinanderzusetzen. Gemeinsam mit Musiker*innen, denen nicht weniger daran liegt, erschließen wir uns Altbekanntes wie Neuentdecktes mit Freude am Farbreichtum, der uns durch die Kompositionen und die alten Instrumente gegeben ist. Die Zusammenarbeit ist ein großes Geschenk. Hierbei geht mein besonderer Dank auch an die Kirchgemeinde „Maria am Wasser“ in Dresden Hosterwitz, welche uns ermöglicht hat, unser Projekt an diesem schönen Ort zu verwirklichen.

 

Schon seit meiner Kindheit hatte ich Wegbegleiter, die an mich glaubten. In meinem Gesangsstudium an der Hochschule für Musik in Dresden unterstützten mich auf dem Weg zu meiner eigenen Stimme und musikalischen Persönlichkeit viele außergewöhnliche Menschen wie Hendrikje Wangemann, Hans-Christoph Rademann, Olaf Bär, Britta Schwarz und Ludger Rémy.

Ich entwickelte ein Urvertrauen, etwas Besonderes schaffen zu können. Und das ist es, was es braucht, um einfach klingende Melodien, die am schwersten zu gestalten sind, zum Leben zu erwecken. Seit vielen Jahren begleitet mich die Musik von Heinrich Schütz maßgebend und erfüllt mich mit großem Glück.

 

Für die intensive Zeit, in der mich mein Programm „Seelentrost“ seelisch und körperlich ganz einnahm, hatte ich wertschätzende Unterstützung meiner engsten Weggefährten. Ich bin von Herzen dankbar für den Austausch über Emotionen und die Anregungen, die Gefühle und Pfade des Lebens zu verknüpfen.

 

Und ja: Man darf Trauer zulassen. Der Trost kommt bestimmt.

Das Ensemble

Mirjam Luise Münzel              Viola da Gamba, Flöte

 

Friederike Lehnert                  Violine

 

Elisabeth Starke                     Violine

 

Alma Stolte                             Viola da Gamba, Continuo

 

Tillmann Steinhöfel                Viola da Gamba, Violone

 

Stefan Maass                         Theorbe

 

Sebastian Knebel                    Orgel, Cembalo